Wie entscheiden Sie über Textänderungen? Wenn ich das die Teilnehmenden in meinen Workshops zum Lektorat und zur Textüberarbeitung frage, wird meistens etwas herumgedruckst. Schließlich wird mit der Sprache herausgerückt: „Nach Bauchgefühl“ oder „nach Geschmack“.
Immer dem Bauch nach
Das Bauchgefühl würde ich da schon eher gelten lassen als den Geschmack. Das Bauchgefühl preise ich sogar oft als meine beste Mitarbeiterin. Es lässt mich beim Lesen nämlich stolpern und innehalten. Wenn sich mein Bauch meldet, dann weiß ich: Im Text stimmt etwas nicht.
Ich gehe der Sache dann auf den Grund. Da kann es sich um eine stilistische Unreinheit handeln, um einen echten Fehler oder eine Ungenauigkeit. Alles Dinge, denen ich im Lektorat auf die Spur kommen möchte, um sie zu verbessern. Das Bauchgefühl ist also so etwas wie mein Spürhund. Das Aufgespürte muss ich dann professionell mit Lektoratsblick bewerten. Ich entscheide also nicht aus dem Bauch heraus, sondern immer mit dem Kopf. Mein Bauch hilft mir aber, die Schwachstellen im Text zu finden.
Geschmack im Lektorat
Ganz anders sieht es mit dem Geschmack im Lektorat aus. Hier bin ich streng: Der Geschmack der Lektorin oder des Lektors spielt bei der Textüberarbeitung keine Rolle. Gar keine. Kein bisschen.
Wenn es überhaupt um Geschmack geht, dann ist höchstens der Geschmack des Autors oder der Autorin von Belang und natürlich der der Zielgruppe. Schließlich soll der Köder dem Fisch schmecken.
Generell spielt Geschmack im Lektorat aber auch hier keine zentrale Rolle. Wenn ein Text besser werden soll, lege ich andere Kriterien an: die Textsorte.
Textsorte als Wegweiser
Die Textsorte bestimmt vor allem:
- von wem der Text gelesen werden soll,
- in welcher Absicht der Text gelesen wird und
- wie der Inhalt aufbereitet wird.
Außerdem gehen mit Textsorten auch noch typische Gestaltungsmerkmale einher. Die lasse ich hier aber mal außen vor. Mehr zur Textsorte können Sie in meinem Blog-Beitrag lesen.
Mit jedem dieser Punkte gehen bestimmte Stilmittel einher, die eine gewünschte oder eben unerwünschte Wirkung erzeugen. Was angemessener Stil in einem Text ist, hängt also nicht vom Geschmack ab. Die Textsorte entscheidet, ob ein konkretes Stilmittel angemessen ist, um die beste Wirkung beim Publikum zu erzeugen und das gewählte Thema am sinnvollsten zu transportieren.
Also ganz eindeutig: Textüberarbeitungen bitte immer mit Stil, aber niemals mithilfe von Geschmack im Lektorat entscheiden.
Übrigens: Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, besuchen Sie doch meinen Workshop zum Lektorat.