Daniela Pucher ist Sachbuchautorin und Coach und hat viele Jahre als Ghostwriterin Bücher zur Veröffentlichung gebracht. Eine zentrale Frage auf diesem Weg ist stets: Verlag oder Selfpublishing? Welche Faktoren die Wahl beeinflussen, verrät sie im Interview.
Als Autorin, Co-Autorin, Coach oder früher auch als Ghostwriterin hast du bereit an weit mehr als 40 Büchern mitgewirkt. Die meisten sind über einen Verlag, manche auch über Selfpublishing veröffentlicht worden. Dein aktuelles Buch ist nun ein Selfpublishing-Projekt. Was ist besser: Selfpublishing oder Verlag?
Das lässt sich so einfach nicht beantworten, denn es kommt drauf an. Auf die Persönlichkeit der Autorin oder des Autors beispielsweise. Bin ich Freigeist oder will ich mich um nichts kümmern? Es sind auch monetäre Gründe zu überdenken. Und: Welche Art von Buch ist es? Welches Thema? Welche Zielgruppe? Was will ich mit dem Buch machen? Es gibt ja viele, die aus Marketingzwecken ein Fachbuch, Sachbuch oder einen Ratgeber schreiben.
Gib doch mal ein Beispiel: Was bietet sich in welchem Fall besonders an?
Wenn ich mir so wenig Arbeit wie möglich machen und mich nach dem Schreiben des Manuskripts rausnehmen möchte, dann bietet sich der Verlag an, weil der theoretisch alles Weitere übernimmt – Lektorat, Korrektorat, Cover-Gestaltung, Buchblockgestaltung und so weiter. Beim Selfpublishing muss ich mich um all das kümmern und das ist Arbeit. Ich habe das gerade an bei unserem neuen Buch „Raus aus der Hängematte, rein ins fitte Leben“ erlebt. Da mussten wir all die Dienstleister finden. Mit dir habe ich beispielsweise eine ganz tolle Lektorin gefunden.
Dankeschön!
Gerne! Alle Fäden laufen bei einer Selfpublishing-Autorin zusammen. Das ist viel Aufwand und man muss viele Entscheidungen treffen: das passende Cover, den überzeugenden Klappentext, den richtigen Selfpublishing-Anbieter. Man muss auch da schauen, wer zu einem passt und der Unterschied liegt im Detail. Wenn ich also möglichst wenig Arbeit haben möchte, die über das Schreiben des Manuskripts hinausgeht, dann bin ich beim Verlag besser aufgehoben. Wenn ich auf der anderen Seite sage: „Ich möchte mir mein Buch so gestalten, wie ich es möchte“, dann führt am Selfpublishing kein Weg vorbei. Da kann ich mir meine Dienstleisterinnen und Dienstleister selbst aussuchen und bestimmen, wie ich es haben möchte. Dann haben wir noch die finanzielle Seite. Zum einen habe ich als Selfpublisherin eine deutlich höhere Gewinnmarge als in einem Verlag. Bei einem Verlag bekomme ich etwa zehn Prozent des Nettoerlöses. Bei einem Verkaufspreis von 20 Euro bleibt da grob gerechnet bloß ein Euro pro verkauftes Buch, den ich dann noch versteuern muss. Beim Selfpublishing ist es ein Vielfaches davon, da können es dann schon mehrere Euro sein.
Allerdings muss man beim Selfpublishing erst einmal Geld in die Hand nehmen, um ein Buch in die Welt zu bringen.
Das stimmt. Da geht es um ein paar Tausend Euro. Wenn ich kein Geld zur Verfügung habe, ist das ein Problem. Die Selfpublisherbibel zum Beispiel rechnet mit Kosten um 2.500 Euro je Veröffentlichung.
Das muss man erst mal wieder verdienen mit dem Buch.
Ich finde das sogar ein bisschen niedrig angesetzt. Wenn ich mir wirklich alle Dienstleister ins Boot hole, also Grafik, Lektorat und so weiter, und mir auch einen Vorrat an Büchern für den Direktverkauf zulegen möchte, dann ist es mehr. Allerdings wirbt Selfpublishing häufig damit, dass man in vorgegebene Vorlagen reinarbeiten kann und keine Grafik benötigt. Aber dann sieht das Buch eben oft auch aus wie von der Stange. Am Lektorat sollte man ebenfalls nicht sparen.
Klar, dann leidet natürlich die Qualität. Vermutlich ist es auch hier wieder die Frage, was man mit dem Buch erreichen möchte: Ist es intern für ein paar Familienmitglieder oder soll es in großem Stil verkauft werden.
Ja, unbedingt. Wenn man an allem spart, erweist man sich keinen guten Dienst. Das fällt ja auf einen selbst zurück. Natürlich gibt es Bücher, die brauchen kein total individuelles Layout. Bei einem Ratgeber gibt es aber immer Kästchen und Infoboxen und Grafiken und so weiter. Je mehr ich davon verwende, desto komplizierter wird es und desto weniger gut bin ich bedient mit Standardlayouts.
Du hast eben schon Ratgeber angesprochen. Gibt es bestimmte Themen, die sich eher fürs Selfpublishing anbieten?
Wenn ich eine Nische bedienen möchte, bin ich beim Selfpublishing tendenziell besser aufgehoben. Je kleiner die Nische, desto unwahrscheinlicher ist eine Verlagspublikation, weil es für einen Verlag wenig attraktiv ist, eine kleine Zielgruppe anzusprechen. Das ist aber nicht schlimm. Ich sage immer: Als Sachbuchautorin bin ich ohnehin selbst mein bestes Testimonial. Wenn ich Vorträge halte oder Seminare gebe, dann habe ich eine super Plattform, auf der ich meine Bücher verkaufen kann zu einer Marge von 5, 6, 7 Euro und nicht zu einer Marge von einem oder zwei Euro, wie es mir ein Verlag bieten würde. Da würde ich also eher zum Selfpublishing raten. Außerdem: Wenn ich mein Buch schnell haben möchte, zum Beispiel für eine Messe oder einen bestimmten Akquisetermin, dann bietet sich Selfpublishing an. Vom Zeitpunkt des fertigen Manuskripts bis zum Erscheinungstermin sind es beim Selfpublishing zwei bis vier Wochen – ein Verlag braucht Monate dafür. Ich muss das Buch natürlich noch schreiben, und das ist ohnehin der größte zeitliche Aufwand. Ein Verlag hat jedenfalls eine relativ lange Vorlaufzeit. Verlage haben im Frühjahr schon das Herbstprogramm im Auge und dementsprechend langfristig denken sie auch. Dass die mal kurzfristig ein Buch mit hineinnehmen, ist sehr unwahrscheinlich.
Was sagst du zu diesem Vorurteil: Selfpublishing ist nur was für Leute, die keinen Verlag gefunden haben?
Dieses Vorurteil begegnet mir immer wieder. Nur weil ich über einen Verlag publiziere, sagt das aber noch lange nichts über die Qualität meines Buches aus. Das ist Fakt. Trotzdem glauben die Leute aber genau das. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Ich denke aber, das wird sich in den nächsten Jahren verändern. Es verändert sich ja jetzt schon. Es gibt immer mehr Autoren, die von vornherein Selfpublishing wählen und gar nicht erst langwierig auf Verlagssuche gehen.
Erklär doch mal: Warum veröffentlichen Verlage manchmal Bücher, obwohl die Qualität nicht stimmt?
Die Verlage müssen sparen, damit sie noch Gewinn machen: am Lektorat, an der Grafik. Ein Cover-Entwurf bei einer guten Grafikerin kostet sicher 500 Euro. Ein Verlag zahlt aber vielleicht nur die Hälfte. Da erhält man dann eben nicht die gleiche Qualität. Bei meinem letzten Buch war zum Beispiel gar kein Lektorat vorgesehen. Da haben sich mir die Haare aufgestellt. Ich konnte dann ein Lektorat durchsetzen, aber nur, weil ich aus der Branche bin. Ohne Lektorat gibt es in den Büchern dann eben Stellen, die sind schlecht zu lesen, manchmal ist vielleicht etwas unscharf erklärt. Oft entscheiden Verlage sich auch auf Basis des Themas für ein Buch.
Es wird also aus rein ökonomischen Gründen ein Buch publiziert, weil für das Thema ein Markt da ist. Dann ist die Qualität zweitrangig. Oder diese Me-too-Bücher, die nur veröffentlicht werden, weil ein Thema in Mode ist und der Konkurrenzverlag das Thema schon besetzt hat. Meinst du das?
Ein Verlag ist ein Profitunternehmen und muss Gewinn machen. Das verstehe ich gut. Damit ist der Verlag nur eben nicht automatisch ein Garant für Qualität, ebenso wie Selfpublisher nicht automatisch schlechte Bücher veröffentlichen. Im Gegenteil: Selfpublisher haben sich in den letzten Jahren professionalisiert, es gibt einen Verband und es gibt Autorinnen und Autoren, die sich als Unternehmer begreifen und nicht nur schreiben können, sondern das Buch auch als ein Produkt sehen können, das es so zu gestalten gilt, dass es Leserinnen und Leser findet und Geld einbringt.
Mal angenommen, ich möchte als Expertin ein Buch zum Selbstmarketing herausbringen, um damit mein Fachwissen zu unterstreichen. Ich habe also nicht vor, eine Laufbahn als Autorin einzuschlagen, sondern will Werbung für mich machen. Findest du es dann sinnvoll, zum Selfpublishing zu gehen? Verlage haben ja schon ein gewisses Renommee. Das hat Selfpublishing nicht.
Auch da ist es Typ-Sache. Meine Klientel kommt aus dem unternehmerischen Bereich. Manchen ist es egal, ob Verlag oder Selfpublishing. Hauptsache, das Buch ist zur richtigen Zeit am Markt, weil sie es für einen Termin, eine Messe oder so, brauchen. Das kriege ich mit einem Verlag nicht hin. Aber es gibt auch Autoren, die sagen: „Wenn wir keinen Verlag finden, dann mache ich das nicht. Was denken denn da die Leute?“ Letztlich ist es Geschmacksache.Die Selfpublishing-Autoren, die ihr Buch zur Reputation veröffentlicht haben, waren mit Selfpublishing jedenfalls genauso erfolgreich.
Wirf doch mal einen spekulativen Blick in die Glaskugel. Wohin wird sich das Selfpublishing entwickeln? In der Belletristik ist Selfpublishing ja schon ein richtiger Faktor geworden am Markt. Wie sieht es beim Sachbuch aus?
Ich glaube, Selfpublishing lässt sich nicht mehr aufhalten. Ich sehe es wie eine Demokratiebewegung. Beim Verlag bin ich als Autorin nur Zulieferin und stehe nicht im Zentrum. Ich glaube, dass sich immer mehr Autoren und Autorinnen emanzipieren wollen. Der Selfpublishing-Markt wird auch beim Sachbuch immer größer und damit wichtiger.
Welche Rolle spielt das Marketing bei der Entscheidung, ob ich zu einem Verlag oder zum Selfpublishing gehen soll?
Wenn ich eine Berühmtheit bin, bin ich in Sachen Marketing bei einem Verlag ganz bestimmt besser aufgestellt. Da brauche ich nichts zu tun, außer bei diversen Auftritten zu erscheinen. Der Verlag wird sich meinen guten Namen zunutze machen wollen. Erstautoren oder Menschen, die keine Berühmtheiten sind, oder Menschen, die keinen Zugang zu den Medien haben, müssen das Marketing ohnehin selbst stemmen.
Verlag hin oder her?
Verlag hin oder her. Der Verlag macht für das Marketing ein paar wichtige Basisarbeiten, aber das war’s.
Es ist ganz wichtig, das mal so explizit zu sagen. Es ist einer der größten Irrtümer zu glauben, dass das Marketing beim Verlag besser läuft. Das ist aber nicht der Fall, sagst du?
Explizit nicht. Das Marketing ist bei der Wahl zwischen Verlag und Selfpublishing nicht ausschlaggebend, weil der Aufwand unterm Strich derselbe ist.
Wie stehen Sie zum Selfpublishing? Verraten Sie es mir im Kommentar!
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