Rainer Wälde hat vor Kurzem seinen zweiten Nordhessen-Krimi im Selbstverlag herausgebracht. Mit beiden Büchern ist er sehr erfolgreich. Ich hatte die große Freude, ihn bei diesem Projekt zu begleiten. Besonders interessant: Rainer Wälde ist von Haus aus gar kein Romanautor. Wie er dennoch zum Krimischreiben kam und vor allem, wie er dabei vorgegangen ist, verrät er im Interview. Vielleicht animiert dieser sehr spannende Blick hinter die Kulissen auch Sie, sich mehr Zeit fürs Schreiben zu nehmen? Es muss ja nicht gleich ein ganzes Buch sein …
Rainer, du bist hauptberuflich ja eigentlich als Journalist und Coach unterwegs. Wie bist du denn auf die Idee gekommen, nun Krimis zu schreiben?
Bereits seit 25 Jahren träume ich davon, als Romanautor aktiv zu werden. Doch erst durch Corona hatte ich die Muße und plötzlich ganz viel Zeit. So gesehen bin ich indirekt ein Gewinner der Pandemie – nicht finanziell, aber im Bereich der Kreativität. Die Monate des Krimi-Schreibens waren die glücklichsten Zeiten inmitten der Krise.
Hattest du erst den groben Vorsatz „Ich schreibe jetzt einfach mal einen Krimi“ oder wurdest du von der Muse geküsst und hast dann erst beschlossen, dieser vagen Idee mehr Zeit und Raum zu geben?
Ich komme vom Fernsehen und lebe schon lange nach dem Motto: Wer gut plant, kommt schneller zum Ergebnis. Das gilt für die Produktion eines 60-Minuten-Dokumentarfilms wie auch für einen Roman. Von daher habe ich zuerst einen klaren Plan gemacht: Mit knapp 100 bunten Innox-Notes auf vier Metern weißer Wand. Jede Figur hat ihre eigene Farbe, die Dramaturgie der Plotpoints dazu in Signalgelb. Für den Bauplan des Buches habe ich knapp eine Woche gebraucht, dann mit meiner Lektorin diskutiert.
Als der Entschluss stand, einen Krimi zu schreiben: Wusstest du da schon, dass es mehrere Teile werden sollen? Wie hast du das inhaltlich geplant?
Da ich die Krimis selbst regional vermarkte, war mir klar, dass nur eine Reihe wirtschaftlich Sinn macht. Wer Teil 1 liest und den Stil mag, wird vermutlich auch die anderen Bände kaufen. Von daher habe ich direkt auf eine Serie von 4-Jahreszeiten-Krimis gesetzt und vollmundig am Ende bereits mit einem fertigen Cover die Fortsetzung angekündigt. Wie ein Cliffhanger im Fernsehen.
Nach dem Erfolg des ersten Buches im März 2021 habe ich direkt die drei Folgebände skizziert, um den Spannungsbogen über vier Bücher aufzubauen. Mir war wichtig, in jedem Buch inhaltliche Verknüpfungen zu schaffen – biografische Geheimnisse anzudeuten, die erst später enthüllt werden.
Es gibt ja ganz unterschiedliche Schreibtypen. Manche Menschen schreiben drauflos und lassen sich von der Geschichte davontragen, schreiben mitunter sogar mehrere Versionen einer Szene. Andere gehen sehr strategisch vor, gliedern wochenlang und entwerfen Figuren bis ins Detail, bevor der erste Satz aufs Papier kommt. Wie ist das bei dir?
Ich habe zuerst für alle Hauptfiguren einen Lebenslauf geschrieben, dann mir eine Idealbesetzung für die Verfilmung der Krimiserie ausgedacht und konkrete Schauspieler gecastet. Beim Schreiben des ersten Buches hat mir sehr geholfen zu überlegen, wie beispielsweise die Schauspielerin diese Szene spielen würde. Von daher sind manche Szenen maßgeschneidert für diese Akteure geschrieben.
Seit dem ersten Buch leben die fiktiven Charaktere nun ein Stück weit in mir. Ich könnte wie auf Knopfdruck direkt eine Szene aus ihrer Perspektive, mit ihrer Sprache, in ihren Lieblingsklamotten schreiben. Auch das Lieblingsessen, Parfüm, Auto – alles ist präsent und kann direkt wieder mit Leben gefüllt werden.
Was hilft dir beim Schreiben und was hindert dich?
Ich brauche feste Schreibzeiten und plane mir für den Roman feste Wochen ein. In der Regel starte ich morgens um 9 Uhr, hole mir die Notes für die nächste Szene von der Wand und schreibe konzentriert los. Da ich morgens den größten Flow habe, höre ich mit ein, zwei kurzen Frischluftpausen um 13 Uhr wieder auf. Nachmittags mache ich meistens normale Büroarbeit. Wenn ich eine gute Idee habe, schreibe ich mitunter auch ein Kapitel – aber das ist nicht die Regel. Mit dieser Halbtags-Schreibdisziplin brauche ich rund acht Wochen für einen Roman. Zudem hilft es mir sehr, einen klaren Produktionsplan zu verfassen. Das heißt: Ich erteile den Druckauftrag für ein Buch, das noch gar nicht geschrieben ist. Klingt merkwürdig, hilft mir aber sehr, dran zu bleiben. An meiner Wand hängt schon das finale Cover für Band 3, obwohl ich noch keine Zeile verfasst habe. Direkt am Anfang vereinbare ich auch mit der Lektorin einen Abgabetermin, mit Satz und Druckerei. Zudem einen festen Auslieferungstermin für den Handel.
Was war rückblickend bei der Herangehensweise dein größter Fehler? Was würdest du in Zukunft vermeiden?
Beim ersten Krimi hatte ich noch kein klares Budget. Ich wusste nicht, wie hoch die Kosten für die einzelnen Dienstleistungen von Lektorat bis Satz und Marketing sind. Von daher habe ich mein Budget ziemlich überzogen. Beim zweiten Band, der im Oktober 2021 erschienen ist, hat mir diese Erfahrung sehr geholfen. Hier hat mich ein ganz anderes Thema herausgefordert: die Länge. Das zweite Buch hat 25 Prozent mehr Umfang. Entsprechend sind die Druckkosten und auch Honorare gestiegen.
Was hat sich als goldrichtig erwiesen? Vielleicht hast du einen Tipp für angehende Autor*innen, die es dir gleichtun wollen?
Ganz wichtig: Eine sehr gute Lektorin oder einen Lektor suchen, der oder die das Genre kennt und wo auch die Chemie stimmt. Außerdem empfehle ich, das Manuskript von fünf Freunden testweise lesen zu lassen. Diese Zeit sollte man unbedingt bei der Produktion einplanen und außerdem noch genügend Zeit, um die Anregungen auch umzusetzen. Ich habe beim zweiten Buch nach der Rückmeldung von Lesern einzelne Passagen und auch die Auflösung umgeschrieben, um das Ende noch spannender zu machen.
Von Mark Twain gibt es ein schönes Zitat: Warum sollte ich acht Monate meines Lebens für ein Buch investieren, wenn die Leute nur 50 Cent für ein Exemplar bezahlen? Deshalb mein dritter Tipp: Unbedingt Geld für eine hochwertige Ausstattung investieren. Ich habe mich entschieden, meinen ersten Roman als gebundenes Hardcover mit Leinenrücken und Folienkaschierung herauszubringen, dazu ein farbiges Lesebändchen. Das klingt gesponnen: Doch zuerst einmal wollte ich, dass mein Werk beim Lesen auch als qualitativ hochwertiges Produkt in den Händen liegt. Echte Krimiliebhaber haben mir erzählt, dass sie die gut gestalteten Bände auch sammeln oder gern verschenken. Hand aufs Herz: Wer liest nicht selbst gern ein haptisches und edles Buch? Auch beim Verkauf hat das Vorteile: Alle Krimis im Paperback werden in der Regel für 9,99 Euro angeboten – als Hardcover dürfen es dagegen 18 Euro oder bei Bestsellern sogar 22 Euro sein. Von daher macht die Investition in eine edle Ausstattung auch wirtschaftlich Sinn. Der Handel freut sich über höhere Erlöse und hat auch selbst ein Interesse, mehr von meinen Büchern zu verkaufen.
Und nun die Gretchenfrage: Würdest du es wieder tun? Und warum beziehungsweise warum nicht?
Na klar: Von meinem Glücksgefühl während des Schreibens habe ich schon berichtet. Nun kommt das Glücksgefühl der Leser dazu. Wann kommt die Fortsetzung? Eine Frage, die nicht nur die Buchhändler, sondern auch die Leser direkt an mich richten.
Auch wirtschaftlich bin ich zufrieden: Vom ersten Band konnte ich innerhalb von acht Wochen rund 2.000 Bücher ausliefern, beim zweiten Band waren es am ersten Verkaufstag direkt 1.000 Exemplare. Ich bin ein Fan von regionaler Vertriebsstruktur. Beide Bücher werden begrenzt über drei Wochen auch bei einer großen Bäckereikette angeboten, danach exklusiv im Buchhandel. Als einziges Buch neben Brot und Kuchen zu liegen, hat sehr geholfen, dass mein Buch gleich am Anfang zum regionalen Talk-Thema wurde. Hast du schon gehört oder gelesen? Ist das Buch wirklich so gut, wie alle sagen? Das hat gerade in den sozialen Netzwerken eine kleine Welle ausgelöst. Leser, die das Buch mit einem Glas Rotwein oder in der Badewanne posten. Mein Kommissar hatte von Anfang an seinen eigenen Instagram-Kanal timo_von_sternberg. Auch das gibt Auftrieb und schafft Verbindung zu den Lesern. Dazu eine sehr aktive Pressearbeit von Tageszeitung, Anzeigenblättern, Onlineportalen bis hin zum Kulturradio. Hinzu kommen Lesungen – vielleicht sogar auf einem Kreuzfahrtschiff, dem Schauplatz meines zweiten Krimis.
Danke, Rainer, für diese spannenden Einblicke in deine Arbeitsweise!
Hier die Infos zum Buch:
Rainer Wälde: Winterzittern. Timo von Sternbergs zweiter Fall
304 Seiten, 19,80 Euro, ISBN: 978-3927825284